Eine "neue Bewegung" sei es. Es sind Organisationen wie "Bauernhöfe statt Agrarfabriken", die sich gegen die Massentierhaltung aussprechen und für mehr Tierschutz einsetzen. Über diese Bewegung wird behauptet, sie erhebe
Foers Buch
Tiere essen, das zu "bewussterem Fleischkonsum" (O-Ton) aufruft, zum "Manifest". Von außen werden sie als gute Bürger proträtiert, die um die Bauern (nicht: Landwirte) und deren Existenz besorgt sind und natürlich auch um die Tiere. Denen gehe es in den "Agrarfabriken" schlecht und sie hätten es auf Bauernhöfen – wie auch immer die aussehen sollen – besser.
Die Gegner antworten, die Höhe des Tierschutzes hänge nicht von der Anzahl der Tiere bzw. der Größe des Betriebs ab. Auch bei großen Betrieben könne es den Tieren gut gehen und auch in kleinen Betrieben komme es nicht selten zu Verstößen gegen das Tierschutzgesetz. Man müsse nicht die Anzahl der Tiere pro Betrieb verringern, sondern nur die Betriebe entsprechend den Tierschutzvorgaben bauen und dann hätten es die Tiere gut.
Sie liegen beide falsch.
Das Problem an der Massentierhaltung ist nicht der erste Wortbestandteil, sondern der zweite. Der erste Wortbestandteil ist willkürlich. Ab welcher Anzahl fängt "Massentierhaltung" an? Wenn man bedenkt, dass die natürliche Gruppegröße von Hühnern bei acht Tieren liegt, ist eine sog. Biohaltung mit 10.000 Tieren oder eine sog. Freilandhaltung mit 3.000 Tieren schon lange eine Massentierhaltung. Bauernhöfe mit acht Hühnern, die den deutschen Eikonsum zu decken versuchen, wird es nicht geben.
Doch besser geht es den Tieren sicherlich, so der Einwand. Auch hier Enttäuschung. Biohaltung bezieht sich in erster Linie auf die Nahrung, die bio sein soll. Das bedeutet, dass die Tiere gesünder sterben. Ob das ein Trost ist? Wenn ein Schwein im Schlachtraum steht und durch den Geruch der ausblutenden Artgenossen in Panik gerät, wird es aller Wahrscheinlichkeit nach nicht durch den Gedanken beruhigt, dass seine Nahrung die Biorichtlinien erfüllt hat. "Alternative" Haltungsformen wiederum bedeuten, dass die Ställe anders aufgebaut sind. Das heißt nicht, dass die Tiere nicht leiden würden, sondern nur, dass sie anderes leiden. Dank der unermüdlichen Arbeit von Tierschutzorganisationen dürfen sich Hühner, seit die Legebatterien verboten wurden, darüber freuen, ein wenig mehr Platz zu haben. Mehr Platz für mehr Kannibalismus, mehr Infektionskrankheiten, mehr Parasiten, mehr Lungenkrankheiten durch mehr Ammoniakbelastung, letztlich: mehr Platz für mehr Tote (denn die Todesraten sind in sog. Boden- und Freilandhaltungen höher).
1 Neue
Videoaufnahmen aus "Alternativhaltungen" zeigen, dass der Unterschied auch des äußeren Zustands der Tiere im Vergleich zu Käfighaltung verschwindend gering ist. Die Bilder zeigen fast federlose Hühner, verwesende Leichen, offene Wunden. "Alternativ" daran ist nur die Methode des Quälens, nicht das Prinzip. Das Prinzip lautet weiterhin: Tiere sind nutzbare Maschinen. Das gilt unabhängig davon, wieviele Quadratzentimeter Platz, wieviel "Auslauf" oder welche Nahrung sie bekommen.
Organisationen wie "Bauernhöfe statt Agrarfabriken" geht es vornehmlich um eines: an der Tierausbeutung festzuhalten. Es ist nicht nur die Bewegung gegen die Massentierhaltung, sondern auch die Bewegung gegen Tierrechtler und Veganer. Die bezeichnen es nämlich als absurd, die Versklavung von Tieren "verbessern" zu wollen. Was ethisch falsch ist, gehört abgeschafft. Das Positionspapier Massentierhaltungsgegner verrät dagegen, wofür sie stehen: "Für eine zukunftsfähige und nachhaltige Nutztierhaltung".
2 Was danach kommt ("auf bäuerlichen Betrieben – gegen Agrarfabriken!"), ist nur Anhang. Der Grundsatz ist die Haltung von "Nutz-Tieren", die nicht nur so heißen, sondern entsprechend behandelt werden. Und wer nutzt, muss verwerten und entsorgen. Auch auf Tiere von sog. Bauernhöfen wartet am Ende der Stahlbolzen oder das Gas oder der Strom und danach: das Messer. Auch hinter der romantischen Bauernhofidylle verbirgt sich ein blutiges Geschäft.
Die zentrale Frage der Ethik ist der Tod, nicht das Leiden. Das sehen wir bei Diskussionen um Sterbehilfe. Niemand plädiert dafür, dass assistiertes Sterben schnell und schmerzlos gehen müsse. Das ist selbstverständlich. Diskutiert wird über das Ob, nicht über das Wie. Das Tötungsverbot ist in der Humanethik ein "fundamentales und unaufgebbares moralischs Prinzip" (J. Ach). Eine Person zu töten, selbst wenn sie offensichtlich nur noch leidet, bedarf umfassender Begründung – wenn diese Person ein Mensch ist. In der Ethik über nichtmenschliche Tiere gilt es dagegen als radikal, wenn Tieren ein Lebensrecht zugesprochen wird. Die Tierschützer – die nicht die Tiere schützen, sondern die menschlichen Interessen an ihnen – und die Massentierhaltungsgegner versuchen diese Frage immer noch auf dem Kopf stehend zu beantworten und präsentieren als "Lösungen" für die ethische Frage kleinere Ställe und "schonendes Schlachten". Auf dem Kopf stehend, denn sie beantworten nicht die Frage, ob man Tiere einsperren und töten darf, sondern nur wie. Eine Rechtfertigung dafür geben sie bei all ihren Protesten gegen die Massentierhaltung nicht.
"Bauernhöfe statt Agrarfabriken" ist eine falsche Alternative. Die richtige lautet "Veganismus statt Tierausbeutung". Denn im Schlachthaus sind tote Bio-Tiere und tote Bauernhof-Tiere vor allem eines: tote Tiere.
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1 Ausführliche Quellen in: Der größte Sieg des Tierschutzes – Das Verbot der Legebatterien und seine Folgen [26.11.2010].
2 bauernhoefe-statt-agrarfabriken.de/positionspapier [26.11.2010].